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Baltikum

Baltikum Juni 2019

Mittwoch 13. 6. 2019

Heute wird es wieder sehr heiß. Schweren Herzens muss ich mich von diesen schönen Platz verabschieden. Aber nach dem Frühstück geht es weiter. Quer durch die Masuren fahre ich mit beschwingter Countrymusik gemütlich Richtung Litauen. In Augustow plagt mich der Hunger und die Hitze. Ich suche mir einen Parkplatz an einem See. Leider darf Shila nicht mit an den Strand, deshalb kühle ich mich nur kurz ab und fahre weiter. Um 17 Uhr treffe ich am Freilichtmuseum Rumsiskes in Litauen ein. Shila darf mit hinein, aber die Häuser sind nur mehr von außen zu besichtigen. Wir spazieren trotzdem durch und sind ganz alleine in dem weitläufigem Gelände. Es hat um diese Zeit immer noch 34 Grad und so begrenzen wir die Wanderung auf eine Stunde. Eigentlich wollte ich hier am Parkplatz übernachten aber hier staut sich die Hitze extrem, Shila hechelt ohne Anstrengung und mir rinnt der Schweiß in Strömen. Ich beschließe spontan, die Klimaanlage meines Autos zu nutzen und die restlichen 2,5 Stunden noch zum Berg der Kreuze zu fahren.

Ich treffe glücklicherweise gerade zum Sonnenuntergang hier am Berg der Kreuze ein. Ich parke am Besucherparkplatz (stehe hier ganz alleine) und schaffe es ein paar schöne Fotos vom Sonnenuntergang zu machen. Wieder sind wir ganz alleine und es ist eine besondere Atmosphäre hier.

Danach gibt’s endlich Essen. Spagetthi mit Sugo und ein Glas Rotwein. Es wird jetzt angenehm kühl. Shila genießt den Platz im kühlen Gras vorm Womo.

Recherche: Berg der Kreuze

Wie der „Berg der Kreuze“ ursprünglich wirklich entstanden ist, ist heute nicht mehr klar nachzuvollziehen. Eine Geschichte besagt, ein Kranker habe Mitte des 19. Jahrhunderts nach seiner Genesung zum Dank ein Kreuz aufgestellt. Eine andere Version berichtet von heimlich beerdigten Aufständischen, die zwischen 1831 und 1863 gegen den Zaren vorgehen wollten. In einer dritten Überlieferung bedankte sich so ein Vater für die Genesung seines Kindes und eine vierte besagt, dass der Fürst von Vilnius vor 300 Jahren gegen einen anderen Fürsten prozessierte und versprach, wenn er gewinne, stelle er ein Kreuz auf.

Die Gründe für das Aufstellen der Kreuze änderten sich je nach gesellschaftlicher und politischer Gegenwart. So wurde beispielsweise nach Stalins Tod 1953 der Gulag-Opfer gedacht. Später wurde der Berg ein Symbol gegen die kommunistische Herrschaft der Sowjets in Litauen. Das kommunistische Regime wollte dieser Entwicklung Einhalt gebieten und führte im April 1961 die erste Zerstörungssaktion durch. Über 2000 Kreuze fielen dieser zum Opfer. Wieder wurden Kreuze aufgestellt, wieder wurden sie vernichtet. 1973, 1974, 1975 wurden diese Aktionen durchgeführt – aber die Kreuze kamen immer wieder. Schließlich etablierte sich der Berg als Symbol des nationalen Widerstandes. Angeblich wuchs die Zahl bis heute auf über 50.000. Zählt man Gebetsketten und Kränze dazu, sollen es sogar über 100.000 sein.

Doch egal, welche Entstehungsgeschichte wahr sein mag – der geschichtsträchtige Ort ist für viele Menschen etwas ganz besonderes. Sie kommen, um seine Mystik zu spüren, Ruhe zu finden und in sich zu gehen.

Donnerstag 13. Juni 2019

Ich habe gut geschlafen auf dem Parkplatz. Als ich um 8 Uhr aufgewacht bin waren schon viele Autos am Platz obwohl die Tourist-Information erst um 9 Uhr öffnen sollte. Später fällt mir auf das die Zeit auf meiner Armbanduhr nicht mit der Zeit auf meinem Handy übereinstimmt. Verwirrt recherchiere ich. Ja es stimmt die sind mit der Zeit eine Stunde weiter vorne. Es ist also schon nach 9 Uhr. Und es schon wieder extrem heiss. Bis auf 34 Grad wird das Thermometer heute klettern. Und das im hohen Norden. Nach dem Frühstück fahre ich los. Mein Ziel ist Kolka die Landspitze von Lettland am Meer. Auf dem Weg durch einfach Dörfer mache ich Halt in Pedvale um das Open Air Kunstmuseum zu besuchen. Rund um einen Bauernhof hat der Künstler seine und fremde Werke in die Wiese und Landschaft gestellt. Es ist einfach spannend zu spazieren und immer wieder etwas zu entdecken. Manches erschließt sich nicht so sehr, manches ist schön anzusehen oder einfach spannend. Mein persönlichen Favoriten waren „Circulation in Nature“ von V. Kopach, „The Sky Chair“ von Villu Jaanisioo und der umhäkelte Stein „The Makeover“ von Zimante.

Das Freilichtmuseum für Kunst in Pedvāle ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung und gehört zum besonders geschützten kulturgeschichtlichen Gebiet Urstromtal Abava. Mit der Bildung des Museums hat im Jahr 1992 einer der bekanntesten Bildhauer Lettlands Ojārs Arvīds Feldbergs angefangen. Die Konzeption des Museums ist die Integration der Landschaft, des kulturgeschichtlichen Erbes und der Kunst in einer Einheitlichkeit. Spazierpfade (1-5 km)“ Quelle: www.talsitourism.lv

In der Ferne hörte ich dann schon die Donner grollen. Ein Gewitter ist im Ansturm. Meine Route führt leider laut meiner App genau ins Zentrum des Gewitters. Trotzdem fahre ich los und habe das Glück vom Sturm nur mehr die Reste (Äste, umgestürtzte Bäume zu sehen). Als ich in Kolka ankomme regnet es in Strömen. Also koche ich erst mal. Als der Regen nachlässt nützen Shila und ich das trockene und sonnige Zeitfenster um einen Strandspaziergang zu machen. Leider zieht es dann auch wieder zu, das Wetter bleibt scheinbar hier hängen und so brechen wir unsere Wanderung zum Cap ab. Ich hoffe, dass ich es morgen schaffen werde.

Freitag 14. 6. 2019

Gestern abend hat es noch einmal ordentlich geregnet und die Temperaturen sind um 20 Grad gefallen. Heute morgen wecken mich doch ein paar Sonnenstrahlen, die jedoch bald wieder verschwinden. Aber es regnet nicht mehr und so machen Shila und ich uns auf um aufs Kap Kolka zu wandern (gestern musste ich ja wegen dem Gewitter umkehren). Es ist sehr ursprünglich hier. Viele umgestürzte Bäume liegen am Strand, und es gibt einen netten Wanderweg durch das Wäldchen entlang des Meeres. Der Nebel hängt und taucht alles in ein mystisches Ambiente.

Danach packen wir wieder zusammen und die Fahrt geht auf langgezogen Strassen wieder Richtung Süden. Ich möchte einen Abstecher nach Ventspils. Im Reiseführer ist sie sehr nett beschrieben. Ich persönlich finde sie irgendwie nicht einladend. Sie ist geprägt von einem großen Hafen, der Öl und Kohlelieferungen aus Russland umschlägt. Die Stadt ist, finde ich, schon noch sehr russisch geprägt. Wenige Geschäfte, wenig Lokale. Viele Häuser sind renovierungsbedürftig.Wobei die schönen Holzhäuser einmal renoviert sicher sehr viel her machen. Das Ambiente erinnert an die Zeit nach dem Fall des eisernen Vorhangs in den Ostländern. Dafür findet praktisch kein Tourismus statt. Was wiederum sehr angenehm ist. Farbenfroh sind die vielen Kühe. Ventspils hat 2002 am Kunstprojekt der CowParade teilgenommen. Diese ist ein internationales Projekt für Kunst im öffentlichen Raum, das auf der Idee der Kuh-Kultur 1998 in Zürich basiert. Am Markt kaufe ich noch Erdbeeren und Kirschen. Auch das ist irgendwie schräg, denn die Preise sind im Verhältnis zu dem oft ärmlichen Ambiente sehr hoch. Ein Kilo Kirschen 6 Euro. Würde mich interessieren wie hoch ein Monatslohn hier ist.

Dann fahre ich weiter nach Pavilosta. Dort soll es eine schöne Steilküste geben. Der Campingplatz liegt wunderschön hoch oben, mit traumhafter Aussicht auf das Meer. Ich bin etwas müde und mache es mir nach dem Essen mit Kirschen und Buch gemütlich. Die Sonne scheint schön warm und der Blick übers Meer ist traumhaft. Dann schlafe ich natürlich ein. Abends zieht leider wieder der Nebel herein und mein Abendspaziergang (man steigt 64 Stufen runter zum Strand), hat leider wieder diesen mystischen Touch. Das Meer ist angenehm zum Barfuß laufen.

Samstag 15 . Juni 2019

Heute morgen scheint endlich wieder die Sonne. Ich möchte noch vor dem Frühstück ein Bad in der Ostsee versuchen. Und es geht gut. Das Wasser hat geschätzte 19 Grad. Shila genießt den Morgenspaziergang am Meer. Danach gehe ich Duschen. Der Weg dorthin ist ein halber Wandertag aber es gibt doch einigermaßen warmes Wasser. Dafür ist das Frühstück bei dieser Aussicht ein Gedicht. Gestern habe ich Dietmar und Steffi ein sehr nettes Ehepaar aus Deutschland kennengelernt. Dietmar ist immer auf der Suche nach Bernstein. Auch heute morgen macht er sich auf, aber es wurde diesmal wieder nichts gefunden. Ich glaube, dass ist wie beim Schwammerl suchen, da muss man einen Riecher haben und die guten Plätze kennen.

Die Fahrt ist problemlos und so erreiche ich gegen 16 Uhr den vereinbarten Campingplatz in Nida. Anke und ich treffen dann auch punktgenau in der Anmeldung aufeinander.

Alle drei sind wir hungrig und nachdem wir auf dem engen Platz unsere Fahrzeuge reingezwängt haben (mich haben zwei litauische Männer bei umdrehen meines Autos auf dem engen Platz tatkräftig unterstützt), packen wir die Räder und radeln nach Nida. Zuerst einmal was essen, danach radeln wir durch den Ort, in dem ein Konzert am Hafen stattfindet und tausende Menschen unterwegs sind. Wir radeln weiter zum Thomas Mann Haus. Man kann sich gut vorstellen, wie hier der Schriftsteller gelebt hat, mit direktem Blick über das Haff. Mein Eindruck: Die Landschaft und die schön renovierten, bunten Holzhäuser sind wirklich wunderschön. Mir persönlich ist jedoch zu viel Tourismus hier. Wir lassen den Abend noch mit einem Spritzer Aperol vorm Womo ausklingen. Wir haben viel zu erzählen. Es ist ein Gefühl wie wenn kaum Zeit dazwischen vergangen sei. Morgen soll es weitergehen. Ich fahre mit ihnen nach Vilnius, mit einem Abstecher zum Mystischen Garten des Vilius Orvydas und einem Abstecher nach Trakai.

Thomas Mann kam 1929 das erste Mal nach Nida und war so begeistert, dass er sich ein Sommerhaus baute. Hier schrieb er Joseph und seine Brüder. 1933 musste er in die Schweiz emigrieren und das Haus wurde von Hermann Göring 1939 vereinnahmt und als Jagdhaus verwendet. In den 90er Jahren wurde das verfallene Gebäude restauriert und als Museum eingerichtet.

Sonntag 16. Juni 2019

Die Nacht war schrecklich. Vorm Schlafengehen schaue ich noch auf die Wetter App und sehe, dass es in der Nacht regnen wird. Also packe ich noch vorm Schlafen alles ins Auto, dann schlafe ich so gegen 1 Uhr morgens rasch ein. Um 2 Uhr wache ich durch lautes Geknalle auf. Nachdem die russische Grenze nur einige Kilometer weg ist hat man zuerst das Gefühl, dass die irgendwas in die Luft schießen. Letztendlich entpuppt sich dass jedoch als Feuerwerk, dass im Nationalpark, für dessen Naturschutz man ja 2o Euro Eintritt bezahlt hat, um 2 Uhr nachts abgefeuert wird. Kaum bin ich wieder eingeschlafen geht ein heftiges Gewitter los und die Kieferzapfen und die Regengüsse die auf irgendeine Plastikplane auftreffen machen einen Hollenlärm und ich kann wieder nicht schlafen. Deshalb wache ich doch erst später auf. Wir haben die Abfahrt für spätestens 9:30 festgelegt. Nach einem schnellen Frühstück laufe ich mit Shila noch zum Strand an der Nehrung. Es ist ein ziemlich langer Weg dorthin und als ich ankomme wieder ein Verbotsschild für Hunde. Es ist nicht meine Gegend, stelle ich fest.

Dann fahren wir noch zur Parnidder Düne hoch.

Dann fahren wir nach Salantai zum mystischen Garten des Orvydas. Die Fahrt ist sehr schön durch die ländliche Gegend, typisch für lettische Dörfer sind die bunten Holzhäuser.

Der Garten entstand in den 60 er Jahren als die Sowjets (Präsident Chruschtschow) verordnete, dass alle christlichen Kreuze und Grabsteine von den Friedhöfen zu entfernen sind. Man brachte sie jedoch in den Garten des Steinmetzes Orvydas. Immer wieder versuchten sie Sowjets diesen Garten (ähnlich dem Berg der Kreuze) zu zerstören. Trotzdem wuchs auch er als Zeichen des Widerstandes immer weiter. Dies wird symbolisch durch den Panzer am Eingang des Gartens dargestellt.

Sein Sohn Vilius gab dem Garten seine heutige Form und gestaltete einen wirklich mystischen, verwilderten, aber dennoch gepflegten Garten. Überall lässt sich etwas entdecken. Heidnisches, christliches alles überdeckt vom betörendem Duft des blühenden Jasmins. Man muss eintauchen. Die Bilder sprechen für sich.

Als wir uns dem Ausgang nähern fängt es zu schütten an. Wir flüchten uns ins Womo und beschließen erstmals Mittag zu essen und Kaffee zu trinken. Dann Geht die Fahrt für 3,5 Stunden weiter nach Trakai.Im 14 Jhd. war dies die Hauptstadt und Sitz des Großfürsten von Litauen. Der deutsche Orden griff immer wieder an und damit war die Burg ein wichtiger Schutz. Erst nach der Schlacht von Tannenberg (1410) und dem Sieg über die Ordensritter verlor sie ihre militärische Bedeutung. Die Burg ist wunderschön in der Abendsonne.